Home: Maucher Jenkins

Intellectual Property

Intellectual
Property

Patents | Trade Marks | Designs

News

R05/19: Maucher Jenkins erwirkt positive Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts

Datum: 17 Juni 2021

Bei dem Europäischen Patentamt besteht in besonderen Situationen die Möglichkeit, eine Entscheidung einer Beschwerdekammer von einer Revisionsinstanz rechtlich überprüfen zu lassen. Zuständig hierfür ist die Große Beschwerdekammer.

 

Im vorliegenden Fall war gegen eine Entscheidung einer Einspruchsabteilung Beschwerde erhoben worden. Die zuständige Beschwerdekammer wies in ihrer Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hin, dass in dieser der Aufgabe-Lösungs-Ansatz verwendet werden würde. Dieser Vorgang ist zunächst nicht ungewöhnlich. Bei dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz handelt es sich um „die“ Methode, mit der das Europäische Patentamt das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit beurteilt.

 

Aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung ging hervor, dass in dieser über mehrere Angriffe diskutiert worden war, nicht jedoch über einen bestimmten Angriff, der in der Ladung zuvor als wichtig angesehen wurde.

 

Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde zurück. Ungewöhnlich war die Begründung der Entscheidung. Dort wurde dem Angriff auf die erfinderische Tätigkeit keine Beachtung geschenkt mit der Begründung, dass für diesen in der Beschwerdebegründung angeblich nicht der Aufgabe-Lösungs-Ansatz verwendet worden sei.

 

Die Einsprechende sah ihr rechtliches Gehör durch dieses vollständige Ignorieren der schriftlich vorgebrachten Argumente schwerwiegend verletzt und beauftragte Maucher Jenkins, einen Antrag zur Überprüfung bei der Großen Beschwerdekammer zu stellen.

 

Aufgrund einer Änderung der Prüfungsrichtlinien ist der Aufgabe-Lösungs-Ansatz auf der Ebene der Eingangsinstanz in der Zwischenzeit verbindlich für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit vorgeschrieben. Da es jedoch keine gesetzliche Normierung in dem Europäischen Patentübereinkommen für diese Methode gibt, hatten die Beschwerdeinstanzen, die nicht an die Prüfungsrichtlinien gebunden sind, den Aufgabe-Lösungs-Ansatzes bislang zumeist lediglich „regelmäßig“ angewendet. Es schien daher, dass die Beschwerdekammer in dem vorliegenden Fall einen Schritt zu weit gegangen war, sodass entschieden wurde, dies überprüfen zu lassen.

 

In dem Antrag argumentierten wir u.a. damit, dass es sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage handele, deren Beurteilung in den Verantwortungsbereich des Europäischen Patentamts falle. Der Anmelder selbst sei lediglich verpflichtet, den technischen Sachverhalt zu liefern.

 

Die Große Beschwerdekammer stimmte dem im Ergebnis zu und entschied, dass auch vor den Verfahren vor den Beschwerdekammern der Grundsatz „iura novit curia“ („Das Gericht kennt das Recht“) gelte. Die Beschwerdekammern müssten daher die von den Beteiligten vorgebrachten Tatsachen betreffend erfinderische Tätigkeit, soweit relevant, unter den Aufgabe-Lösungs-Ansatz subsumieren, unabhängig davon, ob die Darlegungen der vorbringenden Partei bereits nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz strukturiert seien.

 

Das rechtliche Gehör wurde als schwerwiegend verletzt angesehen. Die Entscheidung der Beschwerdekammer wurde aufgehoben und die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet.

 

Diese Entscheidung sendet ein wichtiges Signal. Im Vergleich zu der deutschen Rechtspraxis scheitern wichtige Argumente vor dem Europäischen Patentamt oftmals an rein formalen Hürden, die mit der Leistung, die durch eine Erfindung geschaffen wird, häufig nichts zu tun haben. Die Große Beschwerdekammer sendet mit dieser Entscheidung das Signal, dass bei einem Patent nicht das Wort, sondern die Erfindung im Vordergrund steht. Der Anmelder soll sich auf die Darlegung der Technik konzentrieren können. Dem Europäischen Patentamt kommt dann die Aufgabe zu, zu bewerten, ob die Erfindung patentfähig ist. Dass diese Aufgabenverteilung in der Praxis nicht immer auch so gelebt wird, zeigt allerdings auch, wie wichtig es ist, anwaltliche Expertise zu suchen, wenn es um die Anmeldung und Verteidigung von Patenten vor dem Europäischen Patentamt geht.

 

Bei Fragen wenden Sie sich gern an Unser Team

 

English

EmailTwitterLinkedInXingWeChat