Datum: 27 Juni 2016
Am 23.6.2016 hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland mehrheitlich für einen Austritt aus der Europäischen Union, den „Brexit", gestimmt. Was bedeutet das für die bestehenden, beantragten und künftigen Schutzrechte aus Geistigem Eigentum?
Patente
Europäisches Patentübereinkommen
In Bezug auf das Europäische Patentübereinkommen wird sich nichts ändern. Zahlreiche nicht-EU-Staaten sind Mitglied im europäischen Patentübereinkommen. Europäische Patentanmeldungen werden daher auch nach einem Austritt des Vereinigten Königreichs im Vereinigten Königreich validierbar sein. Europäische Patente, die auch im Vereinigten Königreich validiert wurden, werden weiterhin dort gelten und zu beachten sein.
Neues einheitliches Patentgericht
Im Einheitlichen Patentgerichtsübereinkommen spielt das Vereinigte Königreich eine wichtige Rolle: Zum einen ist es zwingend erforderlich, dass das Vereinigte Königreich das Übereinkommen ratifiziert. Dies ist noch nicht abgeschlossen. Zum anderen ist in London der Sitz einer Abteilung der Zentralkammer vorgesehen. Hier müsste das Übereinkommen abgeändert werden, um einen neuen Sitz innerhalb der Europäischen Union nach dem Auszug des Vereinigten Königreichs festzulegen.
Da der Prozess der Ratifikation des Übereinkommens im Vereinigten Königreich schon weit fortgeschritten ist, könnte das Vereinigte Königreich diesen Ratifikationsprozess abschließen, bevor es über den Austritt aus der Europäischen Union entscheidet. Dies wäre möglicherweise politisch fragwürdig, da eine weitere Mitarbeit beim Aufbau einer europäischen Institution im Widerspruch zu dem Wählerwillen des Referendums stehen dürfte. Es bleibt daher abzuwarten, ob die verbleibenden Mitgliedsstaaten einen anderen politisch gangbaren Weg finden, um möglichst bald ein Inkrafttreten des Übereinkommens zu erreichen. In diesem Sinn hat der Vorsitzende des Europäischen Patentamts, Benoît Battistelli, die Mitgliedstaaten bereits aufgefordert, nach alternativen Wegen zur baldigen Realisierung des einheitlichen Patentgericht Systems zu suchen.
Marken
In Bezug auf Unionsmarken ändert sich bis zu einem tatsächlichen Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union zunächst einmal nichts. Allerdings wird dann zu klären sein, inwiefern der Schutz aus einer Gemeinschaftsmarke direkt in eine nationale britische Marke mündet. Die Unionsmarkenverordnung enthält hierzu keinerlei Regelungen.
Vorsichtigen Markeninhabern und Markenanmeldern möchten wir daher empfehlen, schon jetzt parallel zu neuen oder bestehenden Unionsmarken-Anmeldungen britische Markenanmeldungen zu tätigen, um auch mit Sicherheit für den britischen Markt einen entsprechenden Zeitrang zuerkannt zu bekommen. Derartige nationale Marken können anschließend zur Vermeidung zusätzlicher Verlängerungsgebühren in die Unionsmarke aufgenommen werden, solange das Vereinigte Königreich in der EU bleibt.
Designs
In Bezug auf Gemeinschaftsgeschmacksmuster (community designs) ändert sich bis zu einem tatsächlichen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zunächst nichts. Allerdings wird im Zuge der Austrittsverhandlungen zu klären sein, ob ein bestehendes Gemeinschaftsgeschmacksmuster in ein nationales Schutzrecht in Großbritannien münden kann.
Vorsichtigen Anmeldern und Inhabern möchten wir daher schon jetzt empfehlen, vorsorglich parallel zu einer Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Anmeldung eine britische Design-Anmeldung vorzunehmen. Für bestehende Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist dies jedoch nur innerhalb der sechsmonatigen Prioritätsfrist ab dem Anmeldetag der ersten Anmeldung möglich.
Ob nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster, deren Schutzdauer vor dem Austritt begonnen hat und erst nach dem Austritt endet, auch nach dem Austritt im Vereinigten Königreich Wirkung entfalten werden, scheint zumindest fraglich. Auch hier ist daher empfehlenswert, vorsorglich und rechtzeitig entsprechende nationale Design-Anmeldungen zu hinterlegen.