Datum: 6 November 2013
Computerprogramme machen heute häufig einen Mehrwert eines Geräts aus, der entscheidende Wettbewerbsvorteile gegenüber konkurrierenden Produkten bringen kann. Dies gilt gerade bei geschäftlichen und gedanklichen Tätigkeiten, die automatisiert auf Computern ablaufen sollen. Es ist daher wünschenswert, Schutz für derartige neuartige Computerprogramme zu erlangen.
Während das Urheberrecht Schutz gegen direkte das Kopieren des Computerprogramms bietet, ist ein Schutz gegen ein Nachprogrammieren der zugrundeliegenden Idee in der Regel nur dann möglich, wenn es gelingt, einen Patentschutz für das Computerprogramm zu erlangen.
Hier haben das Deutsche Patentgesetz und das Europäische Patentübereinkommen vergleichsweise hohe Hürden errichtet, indem Computerprogramme und Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten „als solche" explizit vom Patentschutz ausgenommen sind.
Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren intensiv damit beschäftigt, Kriterien zu finden, wann ein Computerprogramm als Computerprogramm „als solches" ist und somit vom Patentschutz auszunehmen ist. Als Grundprinzip hat sich hier herausgebildet, zu fragen, welchen weiteren technischen Effekt (über den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Computers hinaus) die Erfindung bewirkt und ob die Erfindung ein konkretes technisches Problem mit konkreten technischen Mitteln löst.
So ist es anerkannt, dass Programme, die Messergebnisse aufarbeiten oder den Ablauf technischer Einrichtungen überwachen oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirken, dem Patentschutz zugänglich sind. Ferner werden Programme, die Gerätekomponenten modifizieren oder grundsätzlich abweichend adressieren, allgemein als dem Patentschutz zugänglich angesehen.
Bei Programmen, die auf Smartphones lauffähig sind, - sogenannte Apps - sind diese Kriterien häufig nicht erfüllt. Gerade bei derartigen Apps besteht jedoch der Wunsch, einen wirksamen Patentschutz gegen ein Nachprogrammieren der eigenen Idee zu erlangen.
In einer Entscheidung vom 05.02.2013 (T0844/09) hat sich eine technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mit der Frage beschäftigt, ob ein beanspruchtes computerimplementiertes Verfahren zum Betreiben eines Überprüfungssystems zur Überprüfung von Details von Überweisungen dem Patentschutz zugänglich ist.
Bei diesem Verfahren war vorgesehen, dass zur Identifizierung eines Kontos automatisch eine Überweisung auf das zu verifizierende Konto durchgeführt wurde und dass der Kontoinhaber zur Verifizierung des Kontos die Zahlungsdetails dieser Überweisung von seinem Kontoauszug ablesen und angeben musste. Diese Merkmale bilden die Bausteine des Verifizierungssystems des Zahlungsdienstleisters PayPal, der hier auch der Patentanmelder war.
Die zuständige Prüfungsabteilung hatte zuvor diese Patentanmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich um ein Verfahren handele, das dem Feld der Pläne, Regeln und Verfahren für Geschäftsmethoden zuzurechnen sei, welches in vorhersehbarer Weise auf einem Computer realisiert ist. Die Prüfungsabteilung sah daher keine technischen Merkmale, welche die erforderliche Neuheit und erfinderische Tätigkeit bei der Erfindung begründen könnten.
Die technische Beschwerdekammer in der höheren Instanz gelangte jedoch zu einer anderen Auffassung: Die Erkenntnis, dass die Überweisungen zur Überprüfung so erzeugt und ausgelöst werden können, dass die Überweisung eine Authentifizierungsinformation enthält, beruht demnach auf einem technischen Verständnis des Betriebs des Überweisungssystems und der zugehörigen Komponenten. Die Beschwerdekammer kam daher zu dem Schluss, dass diese Überlegungen im Aufgabenbereich einer technisch qualifizierten Person liegen und dass weder ein Wirtschaftsfachmann noch ein Organisationsfachmann in der Lage gewesen wäre, derartige Überlegungen anzustellen. Die Beschwerdekammer kam daher zu dem Schluss, dass dieses Verfahren dem Patentschutz zugänglich ist.
Diese Argumentationslinie erinnert an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs („Logikverifikation", X ZB 11/98) von 1999, in welcher ein computerimplementiertes Verfahren zur hierarchischen Logik-Verifikation hochintegrierter Schaltungen zu beurteilen war. In diesem Verfahren kam der Bundesgerichtshof zu der Auffassung, dass ein akzeptiertes und taugliches Abgrenzungskriterium zwischen dem Patent zugänglichem Computerprogrammen und vom Patentschutz ausgeschlossenen Computerprogrammen „als solches" auch dadurch gegeben sein kann, dass die beanspruchte Lehre durch eine Erkenntnis geprägt ist, die auf technischen Überlegungen beruht. In dem dort entschiedenen Fall war eine Reduktion der zu vergleichenden Daten nach Meinung des Bundesgerichtshofs ausschließlich in Kenntnis der schaltungstechnischen Zusammenhänge unter Einsatz fachmännischen Handelns erreichbar, da nur ein Fachmann mit schaltungstechnischen Kenntnissen habe bewerten können, welche schaltungstechnische Bedeutung einzelnen Daten hätten.
Bei der Entscheidung, ob für eine neuartige computerimplementierte Realisierung einer gedanklichen oder geschäftlichen Tätigkeit versucht werden soll, Patentschutz zu erlangen, sollte daher nicht nur gefragt werden, ob dieses Computerprogramm einen weiteren, über den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Computers hinausgehenden technischen Effekt bewirkt, sondern auch, ob die beanspruchte Lehre möglicherweise durch eine Erkenntnis geprägt ist, die auf technischen Überlegungen beruht.
Sofern dies der Fall ist, sollte versucht werden, diesen Aspekt bei der Ausarbeitung der Anmeldeunterlagen in den Vordergrund zu rücken, um so das Hindernis des gesetzlich vorgesehenen Patentierungsaufschlusses für Computerprogramme und Pläne, Regeln und Verfahren für Geschäftsmethoden „als solche" zu überwinden.
In den genannten Entscheidungen des Europäischen Patentamts und des Bundesgerichtshof haben derartige Überlegungen dazu geführt, die Zugänglichkeit zum Patentschutz zu bejahen.