Datum: 25 August 2021
Je nach Land gibt es unterschiedliche Kriterien, nach denen eine Marke als gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßend angesehen werden kann. Der folgende Artikel erörtert die Regeln, nach denen die Eintragungsfähigkeit solcher Marken in Deutschland möglich ist und untersucht die Umsetzung und Anwendung dieser Eintragungshindernisse und Nichtigkeitsgründe.
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des Beitrags der deutschen Landesgruppe der AIPPI im Rahmen der diesjährigen Markenrechtsstudie, die diese Frage weltweit untersucht. Er erörtert auch die Möglichkeiten einer Verbesserung des geltenden Rechts oder der Praxis in Bezug auf die Eintragungsfähigkeit von Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Das Ergebnis der Studie wird auf dem AIPPI-Weltkongress im Oktober 2021 diskutiert werden. Die globale Studie wurde von internationalen Markenrechtsexperten verfasst und basiert auf 40 Berichten, die von den Landes- und Regionalgruppen der AIPPI sowie von unabhängigen Mitgliedern eingegangen sind und detaillierte Informationen und Analysen zu nationalen und regionalen Gesetzen enthalten.
Die Autoren des Beitrags der deutschen Landesgruppe waren Patentanwalt Detlef von Ahsen und die Rechtsanwälte Janina Wortmann, Stephan Biagosch, Ole Dirks, Rebecca Hentrich und Diana Lipecka.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 des deutschen Markengesetzes sind Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, nicht eintragungsfähig. Es gibt jedoch keine gesetzliche Definition der öffentlichen Ordnung und/oder der guten Sitten nach deutschem Recht, sondern ihr Umfang wird durch die Rechtsprechung bestimmt. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Anwendung dieses Zurückweisungs- oder Nichtigkeitsgrunds ist im Fall der Prüfung einer Markenanmeldung der Tag der Anmeldung der Marke (BGH, GRUR 2013, 1143). Im Fall eines Nichtigkeitsverfahrens gegen eine bereits eingetragene Marke wird eine zweistufige Prüfung durchgeführt: Zunächst wird geprüft, ob die Marke zum Zeitpunkt der Eintragung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen hat. Wird dieses bejaht, wird anschließend geprüft, ob dieser Grund zum Zeitpunkt der Prüfung im Nichtigkeitsverfahren noch vorliegt.
Nach § 50 Abs. 3 MarkenG kann ein Nichtigkeitsverfahren auch von Amts wegen eingeleitet werden, jedoch nur innerhalb von zwei Jahren nach dem Tag der Eintragung der Marke. Prüfungsmaßstab, ob eine Marke gegen die öffentliche Ordnung oder die gegen die guten Sitten verstößt, ist eine vernünftige Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Marke angetroffen werden kann, einschließlich, aber nicht beschränkt auf einen relevanten Verbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen. Für die Frage, ob eine Marke gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt, sind folgende Faktoren entscheidend: die Bedeutung der in der Marke enthaltenen Wörter oder sonstigen Bestandteile, der Hintergrund oder die Herkunft der Wörter oder sonstigen Bestandteile der Marke, die bezeichneten Waren und/oder Dienstleistungen sowie die Grundrechte (etwa Rede- und Meinungsfreiheit).
Die deutsche Gruppe erörterte mehrere Verbesserungsvorschläge im Vergleich zum geltenden Recht. So wurde die Schaffung eines Beschleunigungsinstruments für den Nichtigkeitsantrag diskutiert, da eine eingetragene Marke, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt, den Anschein einer staatlichen Genehmigung erweckt. Dieser Anschein kann in Fällen, in denen Einzelpersonen oder Gruppen von Einzelpersonen herabgewürdigt oder diskriminiert werden, untragbar sein. Ferner könnte die Zugänglichkeit des Rechtsschutzes verbessert werden. Zwar sind die amtlichen Gebühren für ein Nichtigkeitsverfahren nicht allzu hoch.
In Anbetracht der Tatsache, dass jeder, auch wirtschaftlich schlecht gestellte Privatpersonen, durch ein Zeichen diskriminiert werden können, wäre es dennoch empfehlenswert, die Gebühren zu senken. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass - entsprechend der Natur dieses Eintragungshindernisses - besonders benachteiligte Personen oder Gruppen als Antragsteller in Betracht kommen. Verfahrenskostenhilfe nach § 81 a MarkenG wird derzeit nur für das zweitinstanzliche Verfahren vor dem Bundespatentgericht gewährt (vgl. Albrecht in BeckOK MarkenR/ MarkenG § 81a, Rdnr. 3). Die Streitwertbegünstigung nach § 142 MarkenG gilt nicht für den Nichtigkeitsantrag, sondern auch nur für die zweite Instanz vor dem Bundespatentgericht. Eine Gebührenermäßigung und/oder die Einführung von Verfahrenshilfe für Nichtigkeitsverfahren insgesamt kann Abhilfe schaffen, so dass wirtschaftlich schwache Betroffene nicht nur von den Amtsgebühren befreit sondern ihnen auch anwaltliche Hilfe zur Seite gestellt werden kann.
Ferner bergen die unbestimmten Rechtsbegriffe "öffentliche Ordnung" und "Sittlichkeit" die Gefahr der Willkür. Entscheidungen, die auf persönlichen Vorlieben beruhen, sollten verhindert werden. Die Einführung von Laienrichtern, öffentlichen Verfahren oder die Einführung einer Möglichkeit für die Öffentlichkeit, dem Verfahren beizutreten, könnten Abhilfe schaffen.
Während das Markenrecht innerhalb der Europäischen Union weitgehend harmonisiert ist, kann die Beurteilung, ob eine Marke gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt, von Land zu Land unterschiedlich ausfallen.Auch die allgemeinen Regeln für Markenanmeldungen, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen, sind bisher weltweit wenig harmonisiert. Bestimmungen, die die Eintragung von Marken aufgrund eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verbieten, müssen zwangsläufig ein gewisses Maß an Flexibilität bieten, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass a) die Begriffe der öffentliche Ordnung oder der gegen die guten Sitten weit gefasst sind und nicht in erschöpfenden Fallgruppen behandelt werden können (und sollten) und b) sowohl die Ansichten über die öffentliche Ordnung als auch die guten Sitten dynamisch sind und sich im Laufe der Zeit ändern können.
Diese notwendige Flexibilität führt zwangsläufig zu einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit. Das Problem beginnt bei der Definition der Begriffe "Sittlichkeit" und "öffentliche Ordnung" und der Frage, ob (und wenn ja, inwieweit) sich die Begriffe überschneiden. Dieses Problem manifestiert sich bei der Beurteilung, ob ein konkretes Zeichen in den Anwendungsbereich eines (oder sogar beider) Begriffe fällt oder nicht. Es liegt auf der Hand, dass dies zu widersprüchlichen und unvorhersehbaren Entscheidungen führen kann. Ebenso birgt die Tatsache, dass es Aufgabe des Entscheidungsträgers ist, die moralischen Ansichten der Mehrheit der Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen sowie der Teile der Öffentlichkeit zu ermitteln, die im Alltag zufällig mit dem Zeichen in Berührung kommen, die Gefahr, dass der Entscheidungsträger (der nicht notwendigerweise zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört) "nicht richtig liegt" oder diese Ansichten durch seine eigene subjektive Wahrnehmung ersetzt. Die deutsche Gruppe schlägt daher bei Vorliegen dieses Versagungsgrunds vor, größtmögliche Objektivität zu erreichen. Dies kann durch die Aufnahme klarerer und konkreterer Definitionen in die Bestimmung geschehen. Alternativ dazu kann die Entwicklung objektiver Standards für die Anwendung solcher Bestimmungen als Aufgabe der Ämter/Gerichte angesehen werden. Ferner kommen die oben erwähnten Abhilfen in Betracht.
Bemühungen um eine Harmonisierung solcher Bestimmungen sind wünschenswert, soweit es um sehr grundlegende Prinzipien und Standards geht. Eine weitergehende Harmonisierung könnte jedoch nicht nur unerwünscht, sondern angesichts der weltweit sehr unterschiedlichen Auffassungen von Moral und öffentlicher Ordnung sogar unmöglich sein. Außerdem muss man sich angesichts der Art des Ablehnungsgrundes darüber im Klaren sein, dass selbst eine umfassende Harmonisierung nicht unbedingt zu einheitlichen Ergebnissen in den verschiedenen Ländern führen muss. Hingegen scheint eine Harmonisierung im Hinblick auf die Durchsetzung solcher Bestimmungen möglich zu sein.
Dieser Artikel wurde erstmals im Online-Magazin Intellectual Property veröffentlicht: Eintragungsfähigkeit von Marken
Bei Fragen wenden Sie sich gern an Unser Team