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Anmerkungen

Zur LEGO-Entscheidung des EuG (T-515/19)

Datum: 13 April 2021

 

Am 24. März 21 gelang der dänischen Firma LEGO ein überraschender Sieg vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Dieses hob die vorangegangene Entscheidung der dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 10. April 2019 (Az: R 31/2018-3) über die Nichtigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters für einen bestimmten Spielbaustein des Spielzeugherstellers LEGO auf (vgl. T-515/19, 24.03.2021). Der Beschwerdekammer, welche das Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig befunden hatte, seien Rechtsfehler unterlaufen, da es die Ausnahmeregelungen des Art. 8 (2) und (3) der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) nicht berücksichtigt habe. Außerdem habe die Beschwerdekammer nicht alle relevanten Merkmale des streitgegenständlichen Spielbausteins untersucht.

 

I. Hintergrund

 

Die Spielbausteine von LEGO, die sich mit Steckverbindungen zusammenfügen lassen, sind seit vielen Jahren bekannt und beliebt. LEGO hat sich daher immer wieder darum bemüht, seine Spielbausteine durch gewerbliche Schutzrechte vor Nachahmungen zu schützen.

 

1996 hatte sich die Rechtsvorgängerin der Firma LEGO um die Eintragung einer dreidimensionalen Marke für einen Spielbaustein bemüht. Ein solcher Markenschutz wäre besonders attraktiv gewesen, da eine Marke beliebig oft verlängerbar gewesen wäre und der Inhaber einer solchen Marke somit der Konkurrenz die Benutzung verwechslungsfähiger Spielbausteine auf unbestimmte Zeit hätte untersagen können. Allerdings wurde einem später eingereichten Nichtigkeitsantrag gegen die Marke durch die Nichtigkeitsabteilung des europäischen Amtes stattgegeben. Eine Klage hiergegen vor dem EuG blieb erfolglos. Das Urteil des EuG wurde schließlich auch durch den EuGH bestätigt. Der Spielbaustein von LEGO sei gem. Art. 7 Abs. 1 lit. e) ii) vom Markenschutz ausgeschlossen, da er ausschließlich aus der Form der Ware bestehe, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei. Das wichtigste Element des LEGO-Spielbausteines sei die aus Noppen gebildeten Reihen auf der Oberseite des Spielbausteins. Hierdurch werde die technische Wirkung erreicht, nämlich der Zusammenbau der Spielbausteine. Der EuGH betonte in seiner Entscheidung, dass technische bedingte Merkmale nicht dauerhaft über das Markenrecht monopolisiert werden dürften (vgl. EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-48/09 P (EuG)).

 

Nun geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht um einen Markenschutz, sondern um Designschutz. Allerdings verbietet auch das Designrecht den Schutz von Gestaltungen, die ausschließlich technisch bedingt sind, vgl. Art. 8 (1) GGV.

 

Im Jahr 2010 hatte LEGO das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 1664368-0006 für einen Spielbaustein angemeldet, der auf der Oberseite mittig eine Reihe von vier Noppen aufweist und im Übrigen über eine glatte Oberfläche verfügt.

 

Ein Geschmacksmuster gewährt seinem Inhaber ein Monopol auf die beanspruchte Gestaltung für insgesamt 25 Jahre. Während die meisten Produkte kein Vierteljahrhundert lang mit demselben Design erfolgreich verkauft werden, handelt es sich bei LEGO-Spielbausteinen um ein relativ zeitloses Produkt, so dass der Designschutz in diesem Fall eine starke Marktposition gewährt.

 

Bei einem Geschmacksmuster handelt es sich um ein ungeprüftes Schutzrecht. Dies hat den Vorteil, dass ein Entwerfer seine Gestaltung zügig schützen lassen kann. Jedoch kann ein Dritter auch einen Antrag auf Nichtigkeitserklärung des Geschmacksmusters stellen, um prüfen zu lassen, ob es zu Unrecht eingetragen ist. Dies wäre u.a. dann der Fall, wenn es entgegen der Regelung des Art. 8 (1) GGV eingetragen worden wäre, wonach „Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind“ nicht schutzfähig sind.

 

Unter Bezugnahme auf diesen Ausschlussgrund hatte die deutsche Firma Delta Sport Handelskontor GmbH (im Folgenden: Delta Sport) beim EUIPO die Nichtigerklärung des oben genannten Gemeinschaftsgeschmacksmusters beantragt.

 

II. Der aktuelle Fall

 

Am 8. Dezember 2016 hatte Delta Sport beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung bezüglich des Gemeinschaftsgeschmacksmusters von LEGO gestellt. Dieser stützte sich auf die Argumentation, dass das Aussehen des Erzeugnisses lediglich durch die technische Funktion begründet sei und dass der LEGO-Spielbaustein somit gemäß dem Ausschlussgrund aus Art. 8 (1) GGV keinen Designschutz genießen kann. Nachdem das EUIPO diesen Antrag zunächst zurückgewiesen hatte, folgte die Beschwerdekammer der Ansicht von Delta Sport. Die Kammer stellte im Wesentlichen fest, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angegriffenen Geschmacksmuster betroffenen Erzeugnisses ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bestimmt seien, nämlich den Zusammenbau und die Demontage mit den übrigen Steinen eines Sets zu ermöglichen.

 

Diese Entscheidung hob das EuG nun auf. Konkret beanstandete es zwei Rechtsfehler des EUIPO. Erstens habe dieses die Ausnahmeregelung des Art. 8 (3) GGV nicht beachtet. Zweitens habe es nicht alle wesentlichen Erscheinungsmerkmale des angegriffenen Musters ausreichend berücksichtigt.

 

1. Zur Ausnahmeregelung Art. 8 (3) GGV

 

Bezüglich der Nichtbeachtung des Art. 8 (3) GGV ist es notwendig, die Schutzvoraussetzungen und Schutzausschließungsgründe für (Gemeinschafts-) Geschmacksmuster genauer zu betrachten.

 

Die GGV, genau wie das deutsche Designgesetz, nennt für ein Geschmacksmuster zwei Schutzvoraussetzungen: Neuheit und Eigenart. Ausgeschlossen vom Designschutz sind jedoch Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen, die gem. Art. 8 (1) GGV „ausschließlich durch deren technische Funktion bedingt sind“.

 

Des Weiteren sind durch Art. 8 (2) GGV Erscheinungsmerkmale vom Schutz ausgenommen, die „zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen […] wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden […] werden kann, so dass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können“.

 

Hierdurch werden sogenannte „Must-fit“ Teile vom Designschutz ausgenommen, um die Interoperabilität von verschiedenen Bauteilen sicherzustellen, sowie um Handel und Wettbewerb in diesem Bereich nicht zu beeinflussen. Der Begriff „Must-Fit“ steht für eine Klassifizierung von Teilen, deren Form aus rein technischen Gründen in allen Elementen vorgegeben ist, um in ein komplexes Produkt eingefügt zu werden Art. 8 (2) GGV erfasst lediglich funktionsgewährleistende Verbindungsteile und überschneidet sich somit nicht mit dem Anwendungsbereich von Art. 8 (1) GGV, der Erscheinungsmerkmale mit technischer Funktion betrifft.

 

Eine Gegenausnahme zu Art. 8 (2) GGV beinhaltet Art. 8 (3) GGV: „Ungeachtet des Abs. 2 besteht ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster […] an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen“.

Eine Begründung für diese einen Designschutz gewährende Rückausnahme enthält Erwägungsgrund 11 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, wonach die mechanischen Verbindungselemente von Kombinationsteilen ein wichtiges Element der innovativen Merkmale von Kombinationsteilen bilden können und einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen und daher schutzfähig sein sollten.

 

Über das systematische Verhältnis von Art. 8 (3) und Art. 8 (1) bzw. (2) finden sich in der Rechtsliteratur unterschiedliche Auffassungen. Das EuG jedenfalls hat die Ausnahme des Abs. 8 (3) GGV im vorliegenden Fall für anwendbar befunden und gerügt, dass das EUIPO diese Ausnahme von Art. 8 (1) GGV nicht geprüft habe. Unschädlich sei es, dass LEGO sich erstmals im Beschwerdeverfahren auf diese Ausnahmeregelung berufen habe.

 

2. Nichtbeachtung aller wesentlichen Erscheinungsmerkmale

 

Der zweite Rechtsfehler betrifft die Missachtung des Erscheinungsmerkmals der glatten Oberfläche neben der Noppenreihe. Während die Noppen selbst eine technische Funktion erfüllen, indem sie die Verbindung zwischen den Spielbausteinen ermöglichen, hätte es laut dem EuG für die glatte Fläche Gestaltungsspielraum gegeben. Die Entscheidung, diese Fläche in der angemeldeten Form zu gestalten, liegt somit im kreativen Ermessen des Entwerfers. Diesen Umstand hatte das EUIPO nicht gewürdigt, indem es die glatte Fläche überhaupt nicht in seine Überlegung einbezogen hatte.

 

III. Fazit

 

Interessant ist die Entscheidung des EuG insbesondere mit Blick auf die frühere Entscheidung des EuGH zur LEGO-Gemeinschaftsmarke. Hier hatte die Form des LEGO-Bausteines noch dazu geführt, dass LEGO ein Markenschutz verwehrt blieb. Das EuG hingegen hat nun LEGO durch seine Entscheidung den Weg zu einem Schutz des bekannten Bausteins durch das Designrecht eröffnet und damit die Stellung von LEGO auf dem Markt für Spielbausteine gestärkt.

 

Allerdings ist zu beachten, dass das EuG lediglich Rechtsfehler des EUIPO gerügt und nicht selbst in der Sache entschieden hat. Die Entscheidung ist zudem noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH in dieser Sache urteilt, sollte er darüber zu entscheiden haben.

 

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