Datum: 24 Mai 2024
Es ist bereits ein Jahr her, als Anmelder bzw. Inhaber europäischer Patente während der Sunrise Period (zwischen dem 1. März 2023 und dem 31. Mai. 2023) die Möglichkeit hatten, schon vor der Arbeitsaufnahme des UPC am 1. Juni 2023 einen Opt-out-Antrag für ihre europäische Anmeldung bzw. ihr europäisches Patent einzureichen.
Durch einen solchen Opt-out-Antrag konnte der Anmelder bzw. Inhaber sein Schutzrecht der Zuständigkeit des UPC entziehen, welche ab dem 1. Juni 2023 laut Art. 83 (1) des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: UPCA) für einen Übergangszeitraum von jedenfalls 7 Jahren parallel zur Zuständigkeit der nationalen Gerichte besteht. Diese Möglichkeit hat er laut Art. 83 (3) UPCA jedenfalls so lange, wie noch keine Klage vor dem UPC bzgl. des Schutzrechts erhoben wurde.
Sollte der Anmelder bzw. Patentinhaber das neue Gerichtssystem später doch nutzen wollen, kann er sein Opt-out auch widerrufen. Art. 83 (4) UPCA regelt diesen Widerruf wie folgt:
„Sofern noch keine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben worden ist, können Inhaber oder Anmelder europäischer Patente oder Inhaber ergänzender Schutzzertifikate, die zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden sind, die die Ausnahmeregelung nach Absatz 3 in Anspruch genommen haben, jederzeit von dieser Ausnahmeregelung zurücktreten. In diesem Fall setzen sie die Kanzlei davon in Kenntnis. (…)“
Der Widerruf eines Opt-out ist danach also nur dann möglich, sofern noch keine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben worden ist.
Diesen Ausschlussgrund enthält auch Regel 5.8 der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts:
„Wurde in Bezug auf ein Patent oder eine Anmeldung, das bzw. die Gegenstand eines Antrags auf Rücktritt ist, vor der Eintragung des Antrags in das Register oder zu einem dem Zeitpunkt nach Absatz 5 vorausgehenden Zeitpunkt in einer Angelegenheit, für die nach Artikel 32 des Übereinkommens auch das Gericht zuständig ist, Klage vor einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats erhoben, ist der Antrag auf Rücktritt in Bezug auf das betreffende Patent bzw. die betreffende Anmeldung unwirksam, unabhängig davon, ob die Klage noch anhängig ist oder abgeschlossen wurde.“
Die Lokalkammer in Helsinki hatte in dem Patentverletzungsverfahren AIM Sport Vision vs Supponor (UPC_CFI_214/2023) zu entscheiden, ob unter diese Regelungen auch solche Verfahren fallen, welche bereits vor der Arbeitsaufnahme des UPC am 1. Juni 2023 vor nationalen Gerichten anhängig waren.
Die Patentinhaberin AIM Sport Vision hatte für ihr europäisches Patent EP 3 295 663 am 12. Mai 2023 ein Opt-out erklärt und dieses sodann am 5. Juli 2023 widerrufen, zeitgleich mit der Einreichung der Klageschrift gegen Supponor vor dem UPC. Das europäische Patent EP 3 295 663 war jedoch zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme des UPC bereits Gegenstand zweier nationaler Verfahren, nämlich einem Berufungsverfahren gegen eine Entscheidung des Landgericht München I sowie einem Berufungsverfahren gegen eine Entscheidung des Bundespatentgerichts.
Die Lokalkammer in Helsinki entschied, dass die Patentinhaber ihr Opt-out nicht widerrufen konnte und damit also das Opt-out gültig ist. Demzufolge habe das UPC für ein Verfahren auf Basis dieses europäischen Patents keine Zuständigkeit.
Die Patentinhaberin hatte argumentiert, dass Art. 83 (4) UPCA nicht auf Verfahren Anwendung finden könne, welche vor Inkrafttreten des UPCA am 1. Juni 2023 bereits anhängig waren. Unter anderem hatte die Patentinhaberin für ihren Standpunkt den Wortlaut von Regel 5.8 der Verfahrensordnung ins Feld geführt, wonach die Passage „für die nach Artikel 32 des Übereinkommens auch das Gericht zuständig ist“ eben ein nationales Verfahren eingeleitet nach dem 1. Juni 2023 meine, da das UPC davor nicht hätte zuständig sein können.
Die Lokalkammer in Helsinki hat der Auslegung der Patentinhaberin jedoch widersprochen und ausgeführt, dass der Wortlaut der Regelungen Art. 83 (4) UPCA sowie Regel 5.8. der Verfahrensordnung keinerlei solche Einschränkung enthalte. Insbesondere verweise Regel 5.8. auf Regel 5.5, woraus sich ergibt, wann ein Opt-out wirksam wird. Für Opt-outs, die während der Sunrise-Period beantragt wurden, regelt sodann Regel 5.12.: „Anträge, die vor Inkrafttreten des Übereinkommens von der Kanzlei angenommen wurden, werden so behandelt, als seien sie am Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens in das Register eingetragen worden.“ Sie wurden also zum 1. Juni 2023 wirksam. Hieraus schlussfolgert die Lokalkammer, dass unter den in Regel 5.8. genannten Verfahren auch solche zu verstehen seien, welche bereits vor dem 1. Juni 2023 eingeleitet wurden.
Die Lokalkammer wies daher die Klage bzw. den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen der Patentinhaberin auf Basis des genannten europäischen Patents wegen Unzuständigkeit des UPC zurück.
Patentinhaber sollten vor dem Hintergrund dieser Entscheidung vor Einleitung eines Verfahrens vor dem UPC genau prüfen, ob der Widerruf eines Opt-outs im Einklang mit Art. 83 (4) UPCA steht und damit der Weg vor das UPC überhaupt eröffnet ist.
Diese Entscheidung unterstreicht die Risiken, die sich durch eine vorschnelle Beantragung eines Opt-outs ergeben: Die Rückkehr in die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts kann versperrt sein, wenn Dritte in der Zwischenzeit (irgend)eine nationale Klage mit Bezug zu dem betreffenden Patent erhoben haben. Der Patentinhaber ist dann gezwungen, bei Bedarf seine Rechte im Ausland vor weniger erfahrenen Gerichten ohne direkte Mitwirkung seines vertrauten Rechtsbeistandes und – möglicherweise – in einer wenig vertrauten oder zugänglichen Sprache führen zu müssen.
Haben Sie Fragen zu Verfahren vor dem UPC oder möchten Sie mit uns über Opt-out-Strategien für ihre europäischen Patente sprechen? Gerne steht Ihnen unser Team aus erfahrenen Patent- und Rechtsanwälten zur Verfügung.