Datum: 27 Februar 2013
Das Europäische Patentsystem steht vor den größten Veränderungen seit dem Europäischen Patentübereinkommen im Jahr 1973. Im Dezember 2012 haben das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat grünes Licht für die Einführung des neuen EU-Einheitspatentes gegeben.
Das Grundprinzip
Das Einheitspatent wird mit einheitlicher Wirkung für 26 EU-Länder erteilt (einschließlich Kroatien, dass der EU im Juli 2013 beitritt). Spanien und Italien nehmen vorerst nicht teil.
Die Einführung des Einheitspatentes erfolgt mit der Ratifizierung in Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie mindestens 10 weiteren der teilnehmenden EU-Länder. Dies könnte 2015 der Fall sein.
Zur Erlangung eines Einheitspatentes wird wie bisher ein Europäisches Patent beim Europäischen Patentamt angemeldet. Innerhalb von einem Monat nach Veröffentlichung der Patenterteilung kann der Patentinhaber die einheitliche Wirkung für alle teilnehmenden EU-Länder beantragen. Die einheitliche Wirkung kann auch für Europäische Patente beantragt werden, die bereits jetzt angemeldet sind aber erst nach Einführung des Einheitspatentes erteilt werden. In Anbetracht der durchschnittlichen Dauer des Erteilungsverfahrens vor dem europäischen Patentamt dürften dafür zumindest die meisten Europäischen Patente, die seit 2012 angemeldet worden sind, in Frage kommen.
Das bisherige Europäische Patent bleibt erhalten. Der Anmelder kann also zukünftig wählen zwischen nationalen Patenten, dem bisherigen Europäischen Patent, sowie dem neuen Einheitspatent. Diese können auch kombiniert werden, beispielsweise in Form eines Einheitspatentes und eines Europäischen Patentes in Spanien und Italien sowie EPÜ-Ländern, die nicht Teil der EU sind (z. B. die Schweiz, die Türkei und Norwegen).
Übersetzungen
Ein Einheitspatent auf Grundlage eines deutsch- oder französischsprachigen europäischen Patentes muss während einer Übergangsphase von bis zu 12 Jahren ins Englische übersetzt werden. Ein Einheitspatent auf Grundlage eines englischsprachigen Europäischen Patentes muss in eine beliebige andere EU-Amtssprache übersetzt werden. Die Übersetzung dient lediglich zur Information; Maschinenübersetzungen sind voraussichtlich jedoch erst nach Ablauf der Übergangsphase zulässig.
Kosten
Die Gesamtkosten für das bisherige Europäische Patent hängen von der Auswahl der EPÜ-Länder ab, in denen das Europäische Patent validiert wird. Je höher die Anzahl der gewünschten Länder, desto höher die Gesamtkosten. Somit dürfte das Einheitspatent einen Kostenvorteil mit sich bringen, wenn Schutz in vielen oder allen EU-Staaten erlangt werden soll. Bei der Auswahl einer geringen Anzahl von Ländern können jedoch auch nationale Patentanmeldungen (wie bisher) eine kostengünstige Alternative darstellen, zum Beispiel wenn Schutz in Deutschland und Großbritannien oder Frankreich als ausreichend erachtet wird.
Derzeit noch nicht bekannt ist die Höhe der Jahresgebühren für das Einheitspatent. Fest steht lediglich, dass es eine einzige Jahresgebühr geben wird. Vermutlich wird die Höhe der Jahresgebühren einem Mehrfachen einer nationalen Jahresgebühr entsprechen. Der mögliche Kostenvorteil gegenüber einem Europäischen Patent hängt also auch hier davon ab, in wie vielen Ländern das Europäische Patent im Vergleich aufrechterhalten werden müsste.
Patentgerichtssystem
Parallel zum Einheitspatent wird ein neues europäisches Patentgericht geschaffen, das sogenannte Einheitliche Patentgericht. Das Einheitliche Patentgericht – kurz EPG – wird sowohl für Patentverletzungen als auch Nichtigkeits- und negative Feststellungsklagen zuständig sein. Es besteht aus einer Zentralkammer mit Hauptsitz Paris und Zweigstellen in München und London, sowie jeweils bis zu vier örtlichen Kammern in den einzelnen EU-Ländern. In Deutschland werden die örtlichen Kammern voraussichtlich durch die traditionellen Gerichtsstandorte Düsseldorf, Mannheim, München und Hamburg gebildet.
Die Zweigstelle der Zentralkammer in München wird für Patente im Bereich Maschinenbau zuständig sein. Diese Zuordnung spiegelt die langjährige Erfahrung der Industrie in Deutschland in diesem Bereich wieder. Die Zweigstelle in London wird die Bereiche Pharmazie und Chemie abdecken. Paris erhält alle übrigen technischen Bereiche.
Das EPG ist sowohl für das neue Einheitspatent als auch das bisherige europäische Patent zuständig. Inhaber eines europäischen Patentes haben während einer Übergangsphase von mindestens 7 Jahren jedoch die Möglichkeit eines „Opt Out". Damit kann dem Risiko einer Nichtigerklärung eines bestehenden europäischen Patentes mit Wirkung für alle EU-Länder vermieden werden.