Datum: 15 April 2011
2003 - auf dem Höhepunkt der hitzigen Debatte über die Patentierbakeit von Software - erteilte das Europäische Patentamt ein Patent für eine Erfindung zur automatisierten Bearbeitung von Geschenkbestellungen über das Internet. Bekannt wurde das Patent als „Oneclick" -Patent. Insbesondere für die Gegner von „Softwarepatenten" symbolisierte dieses Patent die angeblich verbreitete Praxis der Erteilung von Patenten für nicht-technische Trivialerfindungen.
In der Tat erscheint es aus heutiger Sicht auf den ersten Blick erstaunlich, dass der folgende Patentanspruch 1 damals für patentfähig erachtet wurde:
Verfahren in einem Computersystem zum Bestellen eines Geschenks zur Lieferung von einem Geschenkgeber zu einem Empfänger, wobei das Verfahren aufweist:
Empfangen eines Hinweises von dem Geschenkgeber, dass das Geschenk zu dem Empfänger geliefert werden soll, und einer elektronischen Mail-Adresse des Empfängers; und
Senden eines Hinweises auf das Geschenk und die empfangene elektronische Mail-Adresse zu einem Computersystem fur Geschenklieferungen, wobei das Computersystem fur Geschenklieferungen eine Lieferung des Geschenks koordiniert durch:
Senden einer elektronischen Mail-Nachricht, die an die elektronische Mail-Adresse des Empfängers adressiert ist, wobei die elektronische Mail-Adresse den Empfanger auffordert, Lieferungsinformation umfassend eine Postadresse für das Geschenk bereitzustellen;
Beim Empfangen der Lieferungsinformation, elektronisches lnitiieren einer Lieferung des Geschenks in Übereinstimmung mit der empfangenen Lieferungsinformation.
Nach Erteilung des Patentes wurde von mehreren Parteien - wohl in erster Linie aus politischen Gründen - Einspruch gegen die Patenterteilung erhoben, was letztendlich zum Widerruf des Patentes führte.
Nun hat die Beschwerdeinstanz des Europäischen Patentamtes den Widerruf des Patentes bestätigt. Zugleich wurde aber eine geänderte Version der Patentansprüche zur neuerlichen Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen. Es ist durchaus möglich, dass das Patent danach in abgeänderter Form aufrechterhalten wird. Allerdings enthalten die angepassten Ansprüche zahlreiche zusätzliche technische (und nicht-technische) Merkmale, die wenig mit der durch den Namen „Oneclick" -Patent suggerierten Grundidee gemein haben.
Diese Historie eines einzelnen Patentes repräsentiert nicht nur die z.T. hitzige Debatte über die Patentierbarkeit von Software im vergangenen Jahrzehnt, sondern belegt auch, dass die Kontrollinstanzen des Europäischen Patentsystems funktionieren. Vor diesem Hintergrund darf man um so gespannter auf die Grundsatzentscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes zur Patentierung computerimplementierter Erfindungen sein, mit der in nicht allzu ferner Zukunft zu rechnen ist.
In den USA hat das „Oneclick" -Patent die Nachprüfung im Übrigen ohne größere Anpassungen überstanden. Dort ist die Erteilungspraxis in Bezug auf Software-Erfindungen nach wie vor weniger restriktiv als in Europa.