Datum: 8 November 2024
Authors: Rosalynn Nehrwein, Peter Kaiser
Hanseatisches OLG Hamburg 5. Zivilsenat, Urteil vom 28. August 2024 – 5 U 116/23
Die Rechtsstreitigkeit zwischen der Antragstellerin – ein deutsches Verlagshaus, welches die „Bild“-Zeitung vertreibt – und der Antragsgegnerin – einer Plattformbetreiberin, www.alamy.com sowie www.alamy.de, für Stockmedien – bezog sich auf die Nutzung von Bildmaterial, das markenrechtlich geschützte Zeichen und urheberrechtlich relevante Inhalte der Antragstellerin abbildet. Die Antragstellerin erstrebte eine Untersagung gegen die Antragsgegnerin, auf ihrer Website Lizenzen zu vergeben, die die Marke oder urheberrechtlich geschützte Inhalte der Antragsstellerin umfassen.
Unter anderem wurden auf der Website zwei Grafiken zur Lizenzierung angeboten, die das Logo der Bild-Zeitung wiedergeben sowie ein Foto, das die haushohe Abbildung der Titelseite der Bild-Zeitung vom 20. April 2005 mit der Artikelüberschrift „Wir sind Papst“ an der Fassade des Axel-Springer-Hochhauses in Berlin zeigte.
Das Landgericht Hamburg hatte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens dem Unterlassungsantrag der Antragsstellerin größtenteils entsprochen. Der Antrag richtete sich gegen das Angebot kommerzieller Lizenzen und Lizenzen für eine persönliche Nutzung an Bilddateien, bei denen das Logo ein im Vordergrund bestehender Bestandteil sei, sowie gegen die Urheberrechtsverletzung aufgrund des Lizenzangebots des Fotos der Bild-Ausgabe mit der Titelüberschrift „Wir sind Papst“ (LG Hamburg, AZ. 312 O 194/22). Das Urteil wurde in der Berufungsinstanz durch das Hanseatische OLG Hamburg teilweise modifiziert.
Innerhalb des Markenrechts war die zentrale Streitfrage, ob die Antragsgegnerin für das Anbieten und die Lizenzvergabe an Bildmaterial haftbar gemacht werden kann. Darüber hinaus war fraglich, ob wettbewerbsrechtlich eine Irreführung der Verkehrskreise vorliegen könnte, indem die Antragsgegnerin Lizenzen für Bildmaterial vergibt, ohne explizit auf mögliche Drittrechte, insbesondere Marken- oder Urheberrechte, hinzuweisen. Urheberrechtlich war fraglich, ob die Schlagzeile „Wir sind Papst“ über die notwendige Schöpfungshöhe i.S.d. § 2 UrhG verfügt, sodass diese urheberrechtlich geschützt sein kann.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch für kommerzielle Nutzungen stützt sich auf Art. 10 lit. b) UMV sowie § 14 Abs. 4 MarkenG, da das Lizenzangebot die objektive Gefahr begründen könnte, dass die Käufer der Lizenzen die Dateien für markenrechtsverletzende Benutzungshandlungen einsetzten.
Darüber hinaus ist bezüglich der Irreführung der § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG einschlägig, welcher geschäftliche Handlungen verbietet, die geeignet sind, den angesprochenen Verkehr über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung zu täuschen.
Im Hinblick auf die angebotene Lizenz für eine persönliche Nutzung ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs.1, 1004 Abs.1 S.2 BGB. Weiterhin folgt die streitentscheidende Norm zum geltend gemachten Unterlassungsanspruch bezogen auf die „Wir sind Papst“- Schlagzeile aus §§ 97 Abs. 1, 19a UrhG.
Der Unterlassungsanspruch, betreffend das Angebot für eine kommerzielle Nutzung in der EU aus Art. 10 lit. B) UMV und betreffend das Angebot für eine persönliche Nutzung in Deutschland aus §§ 823, 1004 BGB, steht der Antragsstellerin zu. Dies ergibt sich aus der vom OLG Hamburg getroffenen Feststellung, dass das LG Hamburg richtig festgestellt habe, dass eine Passivlegitimation der Antragsgegnerin und die daraus folgende Täterhaftung vorliegt, soweit Rechtverletzungen gegeben seien.
Täter ist in aller Regel derjenige, der die Tatbestandsmerkmale der Markenverletzung in eigener Person verwirklicht, also zum Beispiel die betreffenden Waren unter dem verletzenden Zeichen bewirbt, anbietet, in den Verkehr bringt etc. (vgl. BGH GRUR 2015, 485 Rn. 36, Kinderhochstühle im Internet III). Ein Zueigenmachen der Inhalte durch die Antragsgegnerin liegt durch die vom OLG Hamburg vorgenommene Einzelfallbetrachtung vor, da diese als Vertragspartnerin gegenüber den Kunden auftritt und keine Hinweise auf die Verantwortlichkeit Dritter erkennbar sind. Somit trifft die Antragsgegnerin durch ihr Auftreten als Lizenzgeberin die Täterhaftung.
Bezüglich einer wettbewerbsrechtlich relevanten Irreführung stellt das OLG Hamburg fest, dass hinsichtlich des Lizenzangebotes, bei dem die Bilddatei eine Fotografie von einer Zeitung mit abgebildeter Verfügungsmarke darstellt, keine Irreführung gem. § 5 Abs.2 Nr.1 UWG realisiert werden kann. Es bestehe zwar ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, da die angegriffene Handlung auf dasselbe Marktsegment abziele. Jedoch erwartet der durchschnittliche Verbraucher bei solch einem Lizenzangebot nicht, dass er eine Lizenz der darauf abgebildeten Marke erwirbt. Anders sei dies bei einem Lizenzangebot zu werten, welches ausschließlich die Marke zeigt, und somit durchaus eine Irreführung i.S.d. § 5 Abs.2 Nr.1 UWG und somit eine Täuschungsgefahr bezüglich der Lizenzierung von Markenrechten erzeugen kann.
Weiterhin sah das Gericht den Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs.1, 19a UrhG als begründet an, da die Antragsstellerin gem. § 7 UrhG als Schöpferin der Schlagzeile „Wir sind Papst“ anzusehen ist. Der fest angestellte Mitarbeiter Georg Streiter hat durch seinen Anstellungsvertrag alle Nutzungsrechte an dienstlichen Arbeitsergebnissen an die Antragstellerin übertragen. Im Rahmen seiner Arbeit als Redakteur hat er die Schlagzeile „Wir sind Papst“ durch eigene kreative und eigenschöpferische Leistung konzipiert, welche aufgrund ihrer sprachlichen Prägnanz und der Benutzung des Stilmittels „totum pro parte“ eine Individualprägung des Autors zum Ausdruck brachte. Das Gericht betonte, dass auch kurze Formulierungen urheberrechtlich geschützt sein können, sofern sie sich durch Originalität und eine individuelle Aussage von der Masse abheben. Die Anerkennung der Schlagzeile in Fachkreisen und der übrigen Öffentlichkeit durch unter anderem einen Kreativpreis unterstreiche dessen Schutzfähigkeit noch.
Auch greife die Schranke des § 59 UrhG nicht, da das Plakat mit der Schlagzeile nur temporär für wenige Tage in Berlin angebracht war und somit keine dauerhafte Installation im öffentlichen Raum darstellt. Somit genießt die Schlagzeile als Sprachwerk i.S.d. § 2 Abs.1 Nr.1, Abs.2 UrhG urheberrechtlichen Schutz.
Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Verantwortlichkeit von Plattformen, die digitale Inhalte wie Stockmedien zum Kauf oder zur Lizenzierung anbieten.
Durch das Urteil wird deutlich, dass Plattformen (für Stockmedien) sicherstellen müssen, dass aus den Angebotsmodalitäten klar hervorgeht, in welchem Umfang Nutzungsrechte eingeräumt werden; insbesondere, wenn geschützte Marken oder urheberrechtliche Werke abgebildet sind. Um eine Irreführung zu vermeiden, muss dem Kunden klar und unmissverständlich aufgezeigt werden, dass die Lizenz an einem Bild nicht die Nutzung von abgebildeten geschützten Zeichen umfasst. Weiterhin erstreckt sich der umfassende Schutz bekannter Marken auch auf digitale Plattformen, sodass das Anbieten von Bilddateien mit markenrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung des Markeninhabers rechtliche Risiken birgt.
Ferner bestätigt das Urteil, dass auch Schlagzeilen, die eine gewisse Individualität aufweisen, urheberrechtlich geschützt sein können, was zu einer erweiterten Prüfung bei der Verwendung von Presseinhalten führt. Allerdings ist hierbei wichtig zu erwähnen, dass nicht jede Schlagzeile eine individuelle und damit schützenswerte Leistung darstellt, sondern vielmehr eine ausführliche Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden muss.
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