Datum: 24 Juli 2024
Authors: Felicitas Struck, Peter Kaiser
Bundesgerichtshof, Urteil vom 02. Mai 2024 – I ZR 23/23
Zur Problematik rechtserhaltender Nutzung einer Marke und der Ausnutzung ihrer Wertschätzung und Unterscheidungskraft.
Die Klägerin, eine Automobilherstellerin, produziert und vertreibt Fahrzeuge unter den Marken „Volkswagen“, „VW“ und „VW im Kreis“. Sie ist Inhaberin der eingetragenen deutschen dreidimensionalen Marke, die den VW Bus T 1 (auch „Bulli“ genannt) in fünf Ansichten zeigt. Die Beklagte produziert und vertreibt hochpreisige Modellautos, u.a. sogenannte Oldtimer, zu denen auch Modelle des VW Bus T 1 („Bulli“) gehören. Die Beklagte war Lizenznehmerin zunächst der Klägerin und später einer 100%igen Konzerntochter der Klägerin, der V. Z. GmbH. Diese Lizenzbeziehung hat die Beklagte zum 31.12.2012 gekündigt. Die Klägerin hält das Anbieten, Bewerben, Einführen und Inverkehrbringen der „Bulli“-Modelle der Beklagten ohne Lizenzvereinbarung für eine Verletzung ihrer Rechte an der Klagemarke. Das Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte beim BGH Revision ein.
Stehen der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Anbietens, Bewerbens, Einführens und Inverkehrbringens der „Bulli“-Modelle kennzeichenrechtliche Unterlassungs- und Folgeansprüche auch dann zu, wenn die ernsthafte rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke fraglich erscheint?
§ 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3, § 25 Abs. 2 S. 1, § 26 Abs. 1 und 2 MarkenG
Der BGH hat festgestellt, dass keine Markenrechtsverletzung vorliegt und das Berufungsgericht erneut über die Sache entscheiden muss.
Eine Marke wird rechtserhaltend genutzt, wenn sie ihre Hauptfunktion erfüllt, die darin liegt, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleitungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Marke muss dafür auf übliche und wirtschaftlich sinnvolle Weise genutzt und von angesprochenen Verkehrskreisen zumindest auch als Unterscheidungsmerkmal wahrgenommen werden.
Sind die Marke und Ware identisch, kann es schwierig sein festzustellen, ob die Marke tatsächlich in rechtserhaltender Weise benutzt wird.
Bei dreidimensionalen Marken ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht.
Entscheidend ist, ob die maßgeblichen Verkehrskreise die Gestaltung der Ware selbst als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen auffassen. Ist dies der Fall, liegt eine rechtserhaltende Benutzung der mit der Ware identischen Marke vor.
Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke setzt voraus, dass ihr eine Ernsthaftigkeit zugrunde liegt. Diese scheidet aus, wenn die fraglichen Waren oder Dienstleistungen überhaupt nicht unter der betreffenden Marke – im Streitfall der (dreidimensionalen) Klagemarke - angeboten worden sind.
Die Annahme, eine Gestaltung werde markenmäßig benutzt, folgt nicht bereits aus der Bindung an die Eintragung der Klagemarke. Eine Markeneintragung bewirkt nur, dass das Zeichen in jedweder Verwendungsform die Funktion eines Herkunftshinweises erfüllt. Eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke muss durch Gerichte aktiv festgestellt werden; daran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch.
Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung einer Klagemarke muss künftig für die Beurteilung, ob das Zeichen als Herkunftshinweis für das beworbene Produkt verstanden wird, neben der Gewöhnung des Verkehrts an spielzeughaft verkleinerte Nachbildungen realer Kraftfahrzeuge als Abbildungen der Wirklichkeit auch die für dreidimensionale Marken sowie Marken, die mit der Ware identisch sind, geltenden Besonderheiten wie Auffassung der Formmarke als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis, besondere Gestaltung der Ware als funktionell und ästhetisch bedingt und nicht als Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen, sowie die Auffassung der Gestaltung als Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem Unternehmen berücksichtigt werden.
Die Ausnutzung des guten Rufes allein ist auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch kein die Unlauterkeit begründender Umstand. Es kommt vielmehr auf den vom nationalen Gericht zu prüfenden konkreten Einzelfall an.
Der Vertrieb von Spielzeug- oder Modellautos, bei denen sich jeglicher Zusammenhang mit der (dreidimensionalen) Marke des Herstellers der Kraftfahrzeuge allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals zwangsläufig wie beiläufig ergibt, ist mit den sogenannten „Trittbrettfahrer“-Konstellationen, die eine Unlauterkeit der Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke begründen, nicht vergleichbar.
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