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Anmerkungen

Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts zum Tastmarken-Urteil des EuG (487/21) vom 12. September 2024

Datum: 17 September 2024

 

Am 7. Dezember 2022 erging das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) über die Klage der Anmelderin einer Tastmarke (T-487/21). Gegenstand dieser Anmeldung ist der Tasteindruck, den ein zylindrisches sanitäres Einsatzteil an der Auslaufseite hinterlässt. Das EUIPO hatte die Anmeldung aufgrund formaler Eintragungshindernisse beanstandet, da „Tastmarken vom [EUIPO] generell nicht akzeptiert“ würden. Die Anmelderin hatte sich mit einer Umbenennung in eine Positionsmarke jedoch nicht einverstanden erklärt. Mit der Klage vor dem EuG wandte sich die Anmelderin schließlich gegen die Zurückweisung der Anmeldung durch die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO vom 3. Juni 2021 (Sache R 2327/2019-5) mangels fehlender Unterscheidungskraft. Das Gericht hatte der Klage stattgegeben und im Rahmen der Urteilsbegründung die Anmeldung selbst für nicht eintragungsfähig erklärt, jedoch bereits mangels grafischer Darstellbarkeit des Zeichens (Rn. 58 des EuG-Urteils).

 

Der Generalanwalt schlägt dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 12. September 2024 nun vor

 

  1. das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 7. Dezember 2022, Neoperl/EUIPO (Darstellung eines zylindrischen sanitären Einsatzteils) (T‑487/21, EU:T:2022:780), zur Gänze aufzuheben;
  2. die Rechtssache an das Gericht der Europäischen Union zurückzuverweisen und
  3. die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten.

 

Den relevanten Rechtsfehler des Gerichts verortet der Generalanwalt damit beim letzten Schritt der rechtlichen Argumentation des Gerichts.

 

Der Generalanwalt sieht das Gericht dazu befugt, von Amts wegen zu prüfen, ob ein Klagegrund wegen Verstoßes gegen den Geltungsbereich von Rechtsvorschriften vorliegt. Hintergrund dieses Klagegrundes war, dass die Beschwerdekammer nach Ansicht des Gerichts vor der Prüfung des Zeichens im Hinblick auf die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV (Verordnung (EG) Nr. 207/2009) hätte prüfen müssen, ob das angemeldete Zeichen den Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 lit. a UMV und insbesondere dem Erfordernis der grafischen Darstellung gemäß Art. 4 dieser Verordnung genüge. Konkret bedeutet dies, dass aus Sicht des Generalanwalts das Gericht sich dieser (Vor-)Frage annehmen und diese entscheiden durfte. Es müsse vermieden werden, dass das Gericht einen Rechtsstreit unter Verstoß gegen eine Norm entscheidet.

 

Weiterhin stimmt der Generalanwalt auch der Auslegung des Gerichts in Bezug auf das Verhältnis der Normen Art. 7 Abs. 1 lit. a und lit. b UMV zu. Seiner Ansicht nach sprechen Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Vorschriften dafür, dass das EUIPO zunächst Art. 7 Abs. 1 lit. a UMV zu prüfen hätte, bevor eine Prüfung von Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV vorgenommen werden kann. Der Generalanwalt bestätigt damit diesen praktisch sehr relevanten Aspekt des EuG-Urteils.

 

Der Vorschlag, das Urteil des EuG gleichwohl in Gänze aufzuheben, hängt an der – aus Sicht des Generalanwalts – fehlerhaften Ausübung der Abänderungsbefugnis, also konkret an der Anmaßung des Gerichts, selbst über die grafische Darstellbarkeit der Tastmarkenanmeldung entscheiden zu wollen. Die rechtlichen Aspekte, die vom Gericht geprüft worden sind, seien inhärent miteinander verbunden und verdienten daher eine Entscheidung „ex novo“.

 

Sollte der EuGH dem Vorschlag des Generalanwalts folgen, hätte dies eine Zurückweisung des Rechtsstreits an das EuG zur Folge. Dieses hätte dann – unter Beachtung der Vorgaben des EuGH-Urteils – nochmal in der Sache zu entscheiden. Hierbei dürfte es sich aber sodann nicht in materieller Hinsicht über die Tastmarkenanmeldung äußern, was letztlich eine Zurückweisung der Sache an das EUIPO zur Folge hätte. Die eigentlich tot geglaubte Tastmarkenanmeldung wäre damit wieder lebendig.

 

Es bleibt also mit Spannung abzuwarten, was ein solches Urteil für den hiesigen Anmelder – der von Maucher Jenkins vertreten wird – zur Folge hat. Des Weiteren hätte ein solches Urteil große praktische Relevanz für künftige Tastmarkenanmeldungen, welche sodann nicht lediglich unter Verweis auf eine vermeintlich fehlende Unterscheidungskraft zurückgewiesen werden könnten. Vielmehr müsste sich das EUIPO zunächst dazu verhalten, um welches Zeichen es konkret geht, bevor es dessen Unterscheidungskraft beurteilen müsste. Vor diesem Hintergrund wäre ein entsprechendes Urteil des EuGH eine wertvolle Leitlinie für alle künftigen Anmelder, auch wenn das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit mittlerweile durch das Erfordernis der Bestimmbarkeit abgelöst wurde, was in praktischer Hinsicht jedoch letztlich keinen großen Unterschied macht.

 

Die Schlussanträge des Generalanwalts können unter folgendem Link abgerufen werden: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=290024&pageInde

x=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=2004296

 

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