Datum: 27 Juni 2024
Das Gericht der EU hat kürzlich zwei Beschwerden gegen Entscheidungen der Beschwerdekammer des EUIPO abgewiesen, mit denen die zuvor gestellten Anträge des Sportbekleidungsunternehmens Puma auf Nichtigerklärung von Sportschuhmustern abgelehnt worden waren. Nach Ansicht der Kammer erweckten diese nämlich einen anderen Gesamteindruck als die früheren eingetragenen Schuhmuster von Puma. Dieser Fall veranschaulicht, welche Rolle die abgelehnten Elemente und die Produktkennzeichnung bei der Beurteilung des Gesamteindrucks konkurrierender Geschmacksmuster spielen.
Am 23. August 2017 meldete die Road Star Group (ein Groß- und Einzelhändler mit Sitz in der Tschechischen Republik) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Schuhe an, siehe Abbildungen:
Am 23. Dezember 2020 meldete das chinesische Unternehmen Fujian Daocheng Electronic Commerce ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Schuhe an, siehe Abbildungen:
Puma beantragte die Nichtigerklärung und machte geltend, dass die RCDs von Road Star und Fujian denselben Gesamteindruck erweckten wie das frühere Design "PUMA NRGY", das von Puma entworfen und entwickelt und durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt wurde, siehe Abbildung:
Puma behauptete außerdem, dass die RCDs von Road Star und Fujian im Vergleich zu ihrem hier abgebildeten Produkt "NRGY v2" keinen individuellen Charakter besäßen, um deren Eigenart begründen zu können:
Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO wies die Anträge von Puma auf Nichtigerklärung mit der Begründung zurück, dass die Geschmacksmuster von Road Star und Fujian sehr wohl Eigenart besäßen.
Die Dritte Beschwerdekammer bestätigte die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung.
Puma legte beim Gericht Berufung ein und begründete dies damit, dass die Kammer den Schutzumfang ihrer älteren Geschmacksmuster falsch eingeschätzt und zu Unrecht festgestellt habe, dass die Geschmacksmuster Road Star und Fujian Eigenart besäßen.
Das EUIPO hatte sich darauf konzentriert, genau zu definieren, welche Elemente beim Vergleich zwischen den Geschmacksmustern von Road Star, Fujian und Puma berücksichtigt werden sollten.
Puma beanstandete, dass der obere Teil des Schuhs – wie er in den angefochtenen Mustern von Road Star und Fujian und in gestrichelten Linien in fünf früheren Mustern von Puma abgebildet ist – berücksichtigt werden müsse.
Die vorgelegten Beweise konnten jedoch nicht belegen, dass "die Sohle das wesentliche Element eines Schuhs" sei, wie Puma behauptet hatte.
Außerdem hat Puma nicht bestritten, dass die beanstandeten Elemente seiner früheren Geschmacksmuster, nämlich das Aussehen des Schuhoberteils in gestrichelten Linien, zur gleichen Zeit wie der geschützte Teil dieser Geschmacksmuster offenbart worden waren.
Zudem stellte das Gericht fest, dass die beanstandeten Elemente der früheren Geschmacksmuster von Puma hinreichend klar und präzise erschienen, um ohne Interpretationsaufwand das Aussehen eines Schuhoberteils und verschiedener Teile wie u. a. der Fersenkappe, der Schnürsenkel oder auch des Fußgewölbes erkennen zu können.
Dementsprechend befand das Gericht, dass die Kammer zu Recht festgestellt hatte, dass die Oberteile der Schuhe zusammen mit den Sohlen bereits zum Stand der Technik gehörten.
Entgegen der Behauptung von Puma vertrat das Gericht außerdem die Auffassung, dass die Kammer keinen Fehler begangen hatte, als sie den "Streifen mit einer breiten horizontalen Basis, der sich zu einer dünneren Linie verjüngt" berücksichtigte, der einer EU-Marke von Puma entsprach, da dieses Bildzeichen insbesondere aufgrund seiner Größe und vor allem wegen seiner Verzierung wesentlich zum Erscheinungsbild des älteren Produkts "NRGY v2" von Puma beitrug.
Obwohl die Entwürfe von Road Star, Fujian und Puma bestimmte visuelle Merkmale, wie z. B. die Außensohle, gemeinsam hatten, befand das Gericht, dass die Hauptunterschiede, wie z. B. die Verzierung des Schuhkörpers, der niedrig geschnittene Kragen und die Merkmale der Sohle, ausreichten, um einen unterschiedlichen Gesamteindruck zu erwecken. Dieser unterschiedliche Gesamteindruck würde dem informierten Benutzer, d. h. jemandem, der regelmäßig Schuhe kauft und ein relativ hohes Maß an Aufmerksamkeit aufbringt, nicht entgehen.
Dieses Urteil verdeutlicht, wie wichtig es ist, sorgfältig vorzugehen, da der Gesamteindruck einer Geschmacksmusteranmeldung – einschließlich der beanstandeten Elemente, die in gestrichelten Linien erscheinen - beim Vergleich des Gesamteindrucks der fraglichen Geschmacksmuster berücksichtigt wird.
Nicht beanspruchte Elemente, die in gestrichelten Linien in früheren Geschmacksmusteranmeldungen auftauchen, könnten daher als der Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht gelten und deshalb bei der Beurteilung der Eigenart eines angefochtenen Geschmacksmusters oder eines älteren Geschmacksmusters berücksichtigt werden.
Wie dieses Urteil ebenfalls zeigt, kann eine Bildmarke auf einem älteren Geschmacksmuster in den Gesamteindruck einbezogen werden, um die Eigenart des angefochtenen Geschmacksmusters zu bestimmen, wenn davon ausgegangen wird, dass sie in hohem Maße zum Erscheinungsbild des älteren Geschmacksmusters beiträgt, insbesondere aufgrund ihrer Größe und vor allem ihrer Verzierung, wie es bei der EU-Bildmarke von Puma für den spitzen Streifen der Fall war.
Aktenzeichen:
Puma v European Union Intellectual Property Office (EUIPO) (T-757/22) EU:T:2024:291 and Puma v European Union Intellectual Property Office (EUIPO) (T-758/22) EU:T:2024:292.
Unser vollständiger Artikel zu diesem Fall wird in der Entertainment Law Review Ausgabe 6 2024 erscheinen.