Datum: 7 August 2024
Authors: Isabella Benchea-Oberst, Peter Kaiser
OLG-Dresden, Urteil vom 18.07.2024 – 4 U 323/24
Zum „Recht zum Gegenschlag“, der rechtfertigenden Schranke der §§ 22, 23 KUG und der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine journalistische Berichterstattung zu einem Ereignis der Zeitgeschichte werden kann, welches eine satirisch-kritische Verwendung des Bildes und des Namens des berichtenden Journalisten für mitunter eigene kommerzielle Zwecke rechtfertigt.
Beim Kläger handelte es sich um den deutschen Fernsehmoderator Jan Böhmermann und bei der Beklagten um eine Bioimkerei, die Projekte in Zusammenhang mit Honig- und Wildbienen betreut und hierbei über eine eigene Webseite „Bienenpatenschaften“ an Unternehmen vermittelt. Dieses Vorgehen kritisierte Böhmermann im November 2023 in seiner Fernsehsendung „ZDF Magazin Royale“, indem er der Beklagten nachsagte, dadurch „beewashing“ zu betreiben. Der Vorwurf bestand insbesondere darin, dass die Imkerei durch die von ihr vermittelten „Bienenpatenschaften“ Unternehmen dazu verhelfe, sich unberechtigterweise so darzustellen, als engagierten sich diese für Artenerhalt und Nachhaltigkeit. Zur Untermauerung seiner Behauptungen zeigte Böhmermann in der fraglichen Sendung nicht nur das Logo der Beklagten, sondern im Ausschnitt eines Werbevideos auch deren Geschäftsführer Herrn Rico Heinzig. Als Reaktion hierauf begann die Beklagte in ihrem Online-Shop den sogenannten „Beewashing-Honey“ zu vertreiben und Aufklärungsvideos bzgl. des „Beewashing“-Vorwurfes auf ihrer Homepage hochzuladen. Darüber hinaus bewarb die Beklagte in einem Dresdner Supermarkt ihre Produkte mithilfe eines Aufstellers mit dem Bild Böhmermanns und einem Glas des sog. „Beewashing-Honey“ im Vordergrund sowie dem Zusatz „führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt“.
Hierdurch sah der Kläger sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung gem. §§ 823 I, 1004 BGB i.V.m. § 12 BGB und §§ 823 I, 1004 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG vor dem LG Dresden. Gegen die Zurückweisung seiner Klage legte der Kläger Berufung beim OLG Dresden ein.
Hat die Beklagte durch die Verwendung des Bildnisses des Klägers in rechtswidriger Weise in sein Recht am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingegriffen?
§§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG
Generell dürfen Bildnisse einer Person nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Ohne eine solche Einwilligung dürfen jedoch Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte veröffentlicht werden, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Eine journalistische Berichterstattung kann zu einem Ereignis der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG werden und mithin die Veröffentlichung des Bildnisses und des Namens des Moderators rechtfertigen, wenn dieser zuvor die Aufmerksamkeit in einer Weise auf ein bestimmtes Thema gerichtet hatte, das er gleichsam zu dessen „Gesicht“ geworden ist. Denn der Begriff der Zeitgeschichte ist nicht nur auf Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung beschränkt, sondern umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Vorgänge mit nur lokaler oder zielgruppenspezifischer Bedeutung gehören. Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos; es wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Die Verhältnismäßigkeit ist Einzelfall bezogen festzustellen.
Das zuvor eher in Fachkreisen diskutierte „Beewashing“, eine auf Bienen bezogene Form des sog. Greenwashings, hat durch die Sendung des Klägers vom 03.11.2023 breite Öffentlichkeitswirkung erlangt. Die Sendung selbst wurde dadurch zu einem Ereignis der Zeitgeschichte. Die durch das Plakat aufgenommene Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Kläger geht über dessen Rolle als Vermittler des Themas „beewashing“ hinaus. Sie greift vielmehr durch die Bezeichnung des Klägers als „führenden Bienen- und Käferexperten“ dessen für sich in Anspruch genommene Rolle als journalistisch-satirischer Investigativjournalist und den in diesem Zusammenhang reklamierten Expertenstatus für eine Fülle von Themen kritisch auf und stellt dadurch das gesamte Sendungskonzept des „ZDF-Magazin Royale“ in Frage.
Wenn sich eine Werbeaktion satirisch-kritisch mit dem journalistischen Wirken eines prominenten Fernsehmoderators auseinandersetzt, kann ein schutzwürdiges Veröffentlichungsinteresse an der Verbreitung des Bildnisses des Moderators vorliegen, auch wenn die Verbreitung ohne seine Einwilligung erfolgt. So erstreckt sich der Schutz aus Art. 5 Abs. 1 GG auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen, sofern diese einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt aufweisen. Die Tatsache, dass die fragliche Meinungsäußerung in Form eines Bildnisses erfolgt, steht dem nicht entgegen.
Ob ein Bildnis zur Ausnutzung des Werbewertes der abgebildeten Person eingesetzt wird und ob und ggf. welches Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht, ist aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters zu beurteilen. Im vorliegenden Fall wird sich dem Durchschnittsbetrachter des Werbeaufstellers die Schlussfolgerung aufdrängen, dass es sich bei dem Aufsteller insgesamt um eine Auseinandersetzung mit dem Wirken des Klägers als Journalist handelt und dass die Beklagte als Imkereibetrieb eine dort vom Kläger zum Thema „Bienen“ getroffene Einschätzung nicht teilt. Vielmehr wird dem Kläger durch die ironische Betitelung als „führender Bienen- und Käferexperte“ die Kompetenz abgesprochen, sich zum Thema „beewashing“ zu äußern. Zumindest demjenigen Teil der Supermarktkunden, denen die Person des Klägers bekannt ist und die infolgedessen allein als Zielgruppe für die beabsichtige Werbung in Betracht zu ziehen sind, ist klar, dass der Kläger weder Zoologe noch Insektenkundler ist, sondern ein Satiriker und Journalist, ohne ausgewiesene Erfahrung in der Bienenzucht.
Auch darf im Rahmen der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen ein sog. Recht zum Gegenschlag nicht außer Acht gelassen werden. Hiernach ist es einem in der Öffentlichkeit Angegriffenen im Grundsatz erlaubt, sich mit der Wiedergabe seiner eigenen Sachdarstellung selbst dann zu verteidigen, wenn diese unzutreffend ist. Angesichts der in der Sendung vom 03.11.2023 vertretenen Auffassung, die Vermittlung von Bienenpatenschaften sei generell unlauter und ziele lediglich darauf ab, die Öffentlichkeit über den eigenen Einsatz für die Umweltbelange und den Artenerhalt zu täuschen, hatte die Beklagte das Recht, mit ähnlicher Sprache oder ähnlichen Mitteln aus ihrer Sicht „Richtigstellung“ zu betreiben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine der Darstellungen „richtig“ ist, denn es handelt sich um einen Meinungsstreit. Da der Kläger das Bildnis des Geschäftsführers der Beklagten in seiner Sendung ebenfalls gezeigt hat, kann dieser nicht das Recht genommen werden, im Rahmen ihres Gegenschlags auf ein Bildnis des Klägers zu verzichten.
Ein den Kläger herabsetzender oder negativer Inhalt kann auch nicht darin gesehen werden, dass es sich bei dem Plakat um eine Werbung für ein Produkt (Honig) handelt. Weder stehen die Parteien in einem geschäftlichen Bezug noch ist die Anzeige rufschädigend für den Kläger. Einen Verlust an allgemeiner Wertschätzung oder Ansehen muss er nicht befürchten.
Quelle: MyHONEY BIO-Imkerei
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