Datum: 21 Juli 2021
Mit seinem Beschluss vom 23. Juni 2021 (Az. 2 BvR 2216/20; Az. 2 BvR 2217/20) hat das BVerfG zwei Verfassungsbeschwerden gegen das deutsche Ratifizierungs-Gesetz zur Umsetzung des UPC (Unified Patent Court) zurückgewiesen und damit nun hoffentlich den Weg für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung als neues Schutzrecht auf der Ebene der Europäischen Union frei gemacht.
Die Einführung des UPC sieht sich seit Jahren immer wieder vor Herausforderungen sowohl politischer als auch rechtlicher Art gestellt.
Erste Zweifel kamen infolge des -Brexit- Referendums in Großbritannien im Jahr 2016 auf. Während es zunächst hieß, Großbritannien werde das Übereinkommen trotz des Brexit ratifizieren und dies schließlich auch tat, steht nun seit letztem Jahr fest, dass das UPC ohne Großbritannien umgesetzt werden müsste. Die Ratifizierung wurde zurückgenommen
Im Jahr 2017 wurde sodann in Deutschland Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Ratifizierungs-Gesetz (EPGÜ-ZustG I) eingelegt. Das BVerfG hat am 20. März 2020 das EPGÜ-ZustG I) für nichtig erklärt, da das Gesetz nicht mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit im Bundestag verabschiedet worden sei. Endstation für das europäische Einheitspatent?
Am 26. November 2020 hatte sodann der Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: EPGÜ-ZustG II) mit der notwendigen 2/3-Mehrheit zugestimmt).
UPC rückt nach Zustimmung des Bundestages in greifbare Nähe
Das UPC schien damit nun endlich in greifbare Nähe gerückt, nachdem sodann auch der Zustimmungsbeschluss des Bundesrates am 18. Dezember 2020 einstimmig gefasst wurde.
Allerdings wurden zeitnah hierzu wiederum zwei Verfassungsbeschwerden beim BVerfG gegen dieses EPGÜZustG II eingelegt. Diese waren jeweils mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verknüpft.
Das BVerfG hat beide Verfassungsbeschwerden nun mit Beschluss vom 23. Juni 2021 zurückgewiesen. Diese seien bereits unzulässig, da die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben.
Die Beschwerdeführer hatten im Kern eine Verletzung des Rechts auf demokratische Selbstbestimmung gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG und Art. 79 Abs. 3 GG gerügt. Die Regelung des EPGÜ zur Wahl und der Rechtsstellung der Richter des Einheitliches Patentgerichts würden die Unabhängigkeit der Richter nicht gewährleisten. Hierin liege ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip und das Rechtstaatsprinzip. Zudem würde das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz abgeleitet aus Art. 19 IV GG verletzt. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die in Art. 20 und Art. 21 S. 2 EPGÜ vorgenommene Festschreibung eines uneingeschränkten Vorrang des Unionsrechts gegen den die Verfassungsidentität schützenden Art. 79 Abs. 3 GG verstößt. Dem Einzelnen würde eine Identitätskontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht abgeschnitten.
Das BVerfG hielt die jeweiligen Ausführungen der Beschwerdeführer jedoch für nicht hinreichend substantiiert. Aus dem Vortrag der Beschwerdeführer werde insbesondere nicht erkennbar, inwieweit die geltend gemachten Einwände gegen die organisatorische Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und die Rechtsstellung seiner Richter mit dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein rügefähigen Demokratieprinzip in Zusammenhang stehen.
Es hätte laut dem BVerfG einer Darlegung bedurft, dass durch das angegriffene Übereinkommen Hoheitsrechte derart übertragen werden, dass bei ihrer Inanspruchnahme durch die Europäische Union beziehungsweise ihre Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen neue Hoheitsrechte begründet werden können, dass Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert werden.
Hier sei der Vortrag auf die Darstellung beschränkt, dass Art. 6 ff. EPGÜ wegen der Ernennung der Richter des Einheitlichen Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederernennung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verstießen. Inwieweit hierdurch das Demokratieprinzip berührt ist, bliebe unklar.
Nicht hinreichend substantiiert sei die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen Art. 20 EPGÜ richtet. Das BVerfG geht insoweit detailliert darauf ein, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nur so weit reicht, wie es das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen. Nur in diesem Umfang sei die Anwendung von Unionsrecht in Deutschland demokratisch legitimiert. Das Bundesverfassungsgericht gewährleiste diese Grenzen insbesondere im Rahmen der Identitäts- und der Ultra-vires-Kontrolle. Diese Kontrollvorbehalte stünden einem uneingeschränkten Anwendungsvorrang des Unionsrechts entgegen.
Das BVerfG führt sodann weiter aus, dass vor diesem Hintergrund der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) keine ausdrückliche Festlegung zum Vorrang des Unionsrechts.
Danach müsse Art. 20 EPGÜ so verstanden werden, dass mit ihm Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollen, es hingegen nicht um eine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht geht. Hiermit setze sich die Verfassungsbeschwerde nicht auseinander.
Nach der Zurückweisung der Eilanträge durch das BVerfG ist zu erwarten, dass die Verfassungsbeschwerden auch in einer Hauptsache zurückgewiesen werden würden, sofern die Beschwerdeführer bei der Substantiierung nicht erheblich nachbessern. Daher kann das EPGÜ-ZustG II nun in einem nächsten Schritt durch den Bundespräsidenten ausgefertigt werden.
Man darf daher hoffen, dass es nun zeitnah zur Umsetzung des UPC-Systems kommt. In diesem Zusammenhang bleibt weiterhin spannend, welche Auswirkungen die Rücknahme der Ratifizierung des UPC durch Großbritannien für das UPC-System als auch für Großbritannien selbst haben wird. Italien hat jedenfalls bereits Mailand ins Spiel gebracht, um London als einen der UPC-Standorte zu ersetzen.
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Die Entscheidung des BVerfG vom 23. Juli 2021 ist unter folgendem Link abrufbar