Datum: 2 Juni 2024
Authors: Felicitas Struck, Peter Kaiser
Oberlandesgericht Celle Urteil vom 27.02.2024 – AZ.: 13 U 57/23
Zu der Frage, ob die Stadt Hannover den Abriss einer Brunnenanlage nach § 14 UrhG unterlassen muss, um einen öffentlichen Platz neu zu gestalten.
Der Andreas-Hermes-Platz in Hannover zeichnet sich durch die vom Landschaftsarchitekten Prof. Gustav Lange entworfene Brunnenanlage aus. Die Beklagte Stadt Hannover beabsichtigte diesen sanierungsbedürftigen und deshalb derzeit nicht mit Wasser gefüllten Brunnen abzureißen und den Andreas-Hermes-Platz neu zu gestalten.
Die Enkel des mittlerweile verstorbenen Architekten richteten sich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Abriss des Brunnens. Dieser Antrag wurde in erster Instanz vom Landgericht Hannover mit Urteil vom 11. Dezember 2023 zurückgewiesen, da das Urheberinteresse am Erhalt des Werkes das Eigentümerinteresse der Stadt Hannover, den Platz neu zu gestalten, nicht deutlich überwiege. Demnach könne der Abriss des Brunnens dazu beitragen die Aufenthaltsqualität des Platzes zu verbessern und den sozialen Problemen der bisherigen Nutzung entgegenzuwirken. Auf die Berufung der Kläger entschied das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 27. Februar 2024, dass die Stadt Hannover den Abriss des Brunnens gem. §§ 97 Abs.1, 14 UrhG unterlassen muss.
Überwiegt das Interesse des Urhebers bzw. seiner Erben an dem Erhalt eines Werkes das Interesse der Eigentümerin an dessen Beseitigung?
2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, § 14 UrhG, § 97 Abs. 1 UrhG, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
In der Regel ist bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken das Interesse des Grundstückseigentümers an einer anderweitigen Nutzung des Grundstücks oder Gebäudes gegenüber dem Interesse des Urhebers am Erhalt des Werks vorrangig. Dies gilt nicht, wenn eine umfassende Abwägung der Interessen etwas anderes ergibt.
Vorliegend kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Erhaltungsinteresse der Kläger das Eigentümerinteresse an der Umgestaltung des Platzes überwiegt. Die Brunnenanlage ist als Werk der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG anzusehen und ist urheberrechtlich geschützt. Der Abriss des Brunnens würde einen Eingriff in die Gesamtkonzeption der Platzgestaltung als Werk der Baukunst darstellen. Die Platzgestaltung weist eine vergleichsweise hohe Originalität auf. Zwar dient der Platz als Verkehrs- und Aufenthaltsfläche bestimmten Gebrauchszwecken, jedoch betrifft dies nicht den Brunnen als wesentliches Gestaltungselement des Platzes.
Bei der Interessenabwägung kommt es ferner darauf an, inwieweit konkrete Planungen zur geänderten Nutzung und Umgestaltung des Platzes vorliegen und ob hinreichende Aussichten auf eine Realisierung bestehen. Vorliegend hat die Stadt Hannover für die Umgestaltung des Platzes nur Ideen vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, wie die konkrete Umsetzung erfolgen soll. Daher ist die gegenwärtige Planung nicht ausreichend, um das Interesse der Stadt Hannover an dem Abriss der Brunnenanlage gegenüber dem Urheberinteresse an deren Erhalt zu überwiegen. Es steht der Beklagten jedoch frei, weitere Planungen vorzunehmen, die eine erneute Interessenabwägung erforderlich machen könnten.